Haus International e.V., Poststraße 22, Kempten, 05.11.2025
Rückblick auf einen ersten Abend mit „Sprechen & Zuhören“ im Allgäu, einem Format von Mehr Demokratie e.V.
24 Menschen stellen ihre Stühle zurück in einen großen Kreis. Eben saßen sie noch in Vierer-Grüppchen im Raum verteilt und hörten sich gegenseitig zu. „Wie geht es Dir aktuell in Deutschland?“ lautete die Frage, zu der sie sich austauschten. „Und nun? Wie geht es Euch jetzt?“ so die Frage der Moderatorin nach drei Runden eines ungewöhnlichen Gesprächsformates. „Was hat sich verändert im Vergleich zum Beginn dieser Veranstaltung?“ Die Antwort kommt prompt: „Wir sitzen zu weit auseinander!“ Alle lachen und rücken die Stühle sofort näher zusammen. Deutlicher könnte nicht gezeigt werden, welchen Unterschied es macht, wenn Menschen sich Zeit nehmen, sehr persönlich von sich zu sprechen und dabei einander aufmerksam zuhören. „Dieses Format bringt Frieden“, so eine Teilnehmerin „Ich wünsche mir mehr davon.“
Große Zufriedenheit und Berührtsein werden spürbar in den Wortmeldungen nach drei intensiven Austauschrunden, bei denen angeleitet durch die Moderation alle Beteiligten jeweils vier Minuten lang konsequent nacheinander sprachen und dabei nicht von anderen unterbrochen wurden. „Es tat so gut, endlich mal einfach nur von mir sprechen zu können, ohne dass andere sofort reagieren“, „dass mir zugehört wurde“, „dass ich ehrlich sagen konnte, was ich denke, ohne bewertet zu werden“ so einige Stimmen. „Ich bin überrascht, wie schnell auf diese Weise ein ganz tiefer Austausch zwischen Menschen zu Stande kam, die sich gar nicht kannten“ und „ich wünschte, das mir zu Hause mal so wohlwollend zugehört würde“.
Sprechen & Zuhören ist ein Format, dass vom Verein Mehr Demokratie e.V. als Methode entwickelt wurde, um Verbindung zwischen Menschen herzustellen, auch wenn sie nicht derselben Meinung sind. Es kommt aus der „Kreiskultur“, die in vielen sozialen Gemeinschaften gepflegt wird, um sicher zu stellen, dass auch zurückhaltende Menschen in einer Gruppe zu Wort kommen, und alle mit ihren Anliegen gehört werden. Es geht darum, zu üben, anderen möglichst bewertungsfrei volle Aufmerksamkeit zu schenken, um ihre Perspektive nachvollziehen zu können. So werde Menschen bewusst, dass oft ganz ähnliche Bedürfnisse hinter verschiedenen Positionen stecken.
Da jede Frage stets mit der Formulierung „Wie geht es Dir mit …?“ eingeleitet wird, richtet sich die Aufmerksamkeit mehr auf persönliche Perspektiven und auf Gefühle als auf die Sachebene. „Dadurch können sich unsere Nervensysteme entspannen“, erklärt GFK-Trainerin Christine Schmidt. Denn es gehe bei diesem Austausch nicht darum, recht oder die richtige Meinung zu haben, nicht um Lösungen, sondern erst mal nur darum, zu teilen, wie es jemandem persönlich mit einem Thema geht und anderen zuzuhören, um ihre Sicht auf die Fragestellung kennenzulernen. Eine klare Haltung haben und trotzdem offen sein für andere Meinungen, schließe sich dabei nicht aus. „Man kann jemanden durchaus verstehen und trotzdem selber anderer Meinung sein“, konstatiert Christine Schmidt. Ziel von Sprechen & Zuhören ist eine Grundhaltung des wohlwollenden Miteinanders trotz Unterschieden. „Diese Fähigkeit ist entscheidend für unser Miteinander in der Demokratie“, sagt Ina Schicker. „Nur wenn wir auch andere Meinungen aushalten und stehen lassen können, ohne feindliche Gefühle zu entwickeln, können wir miteinander sinnvoll verhandeln und gemeinsame Lösungen finden.“
Die beiden S&Z Moderatorinnen möchten das Format im Allgäu bekannt machen. Sie freuen sich auf interessierte Gruppen, die Lust auf dieses Experiment haben.
Kontakt:
Christine Schmidt: c.schmidt (at) zwischen-menschliches.de
Ina Schicker: ina (at) allgaeu-fairnetzt.org
Weitere Infos zu Sprechen & Zuhören HIER


